Das ehemalige Gerichtsgefängnis Hannover 1933 - 1945

IV. Das Gerichtsgefängnis -
Kein Anlaß zur Mahnung?

Das Gerichtsgefängnis Hannover war während der NS-Zeit sowohl Strafvollzugs- als auch Untersuchungshaftanstalt für kriminelle Straftäter (oder die man dafür hielt), aber auch für Frauen und Männer, die aus politischen, rassischen, religiösen GrÜnden, wegen ihrer Sexualität oder ihrer Lebensweise verfolgt wurden.

Die "Schuld" dieser Häftlinge bestand darin, politische Oppositionelle zu sein, eine den Nationalsozialisten nicht genehme Weltanschauung, Abstammung oder Lebensweise zu haben.

Die Inhaftierung im GerichtsgefÄngnis kann gewiß nicht mit einer Haft im Konzentrationslager oder anderen NS-Terroreinrichtungen verglichen werden, wo die Insassen dem willkürlichen Terror von SS und Gestapo ausgesetzt waren.

Diese Einschätzung wurde von den von uns befragten ehemals dort Inhaftierten stets betont. Den bisherigen Erkenntnissen nach waren im Gerichtsgefängnis lediglich die Untersuchungsgefangenen dem Zugriff der Gestapo ausgeliefert, indem sie - wie geschildert - in der Regel aus dem Gefängnis zum Verhör in die Gestapo-Dienststellen Hardenbergstraße oder Schlägerstraße gebracht wurden, wo zum Teil brutale Folterungen stattgefunden haben.

Dagegen waren die bereits verurteilten Strafgefangenen vor dem Zugriff der Gestapo verhältnismäßig sicher, die Haft selber stellte keinen Angriff auf das Leben dar, wenn auch die Lebensbedingungen allein schon durch den baulichen Zustand des Gebäudes äußerst miserabel waren. Auch das Verhalten des Aufsichtspersonals kann nach übereinstimmenden Aussagen als korrekt bezeichnet werden. Trotzdem gab es Ausnahmen, waren doch die Häftlinge dem guten Willen der Beamten ausgeliefert.

Und dennoch ein Anlaß zur Mahnung und Erinnerung? Gewiß ist die Strafanstalt keine speizifisch nationalsozialistische Einrichtung, doch zweifellos wurde sie von den Nationalsozialisten zur Zerschlagung der politischen Opposition, zur Unterdrückung von Minderheiten instrumentalisiert. Speziell geschaffene Strafbestimmungen und Sondergesetze ermöglichten es, unliebsame Personen für lange Zeit auszuschalten.

Für viele stellte die Haft nur den Beginn einer jahrelangen Verfolgung dar, ob es sich um weitere Diskriminierung, fortgesetzte Polizeiaufsicht oder Arbeitsverpflichtung handelte oder ob der/die Gefangene nach Verbüßung der regulären Haftstrafe erneut in die Hände der Gestapo fiel.

Letzteres bedeutete die Einweisung in ein Konzentrationslager, was für einige dem Todesurteil gleichkam.

Auch der Fall Thälmann muß noch mal hervorgehoben werden: sechs Jahre strenge Isolationshaft, speziell für ihn geschaffene Sonderbestinmungen, ständige Beaufsichtigung durch die Gestapo - dies alles, ohne daß jemals Anklage erhoben worden wäre oder ein Prozeß stattgefunden hätte.

Sicher war der KPD-Vorsitzende Ernst Thälmann für die Nationalsozialisten eine Person von besonderem Interesse - allein schon aufgrund seiner Funktion und seinem hohen Bekanntheitsgrad im In- und Ausland.

In seinem Fall wurde das Haftgebäude in der Leonhardtstraße zum Ort von nationaler Bedeutung, wo - Justizbehörden weitgehend ausgeschaltet - allein die Gestapo über Leben und Tod entschied. Auch die Gefängnisleitung und ihre Vorgesetzten waren in ihren Entscheidungen nicht autonom.

Die später durchgesetzte Hafterleichterung wäre nicht ohne Genehmigung der Berliner Gestapo erzielt worden.

Die Haft und das Schicksal Ernst Thälmanns ist im kollektiven Gedächtnis Hannovers nicht präsent. Als eine zentrale Figur der Arbeiterbewegung hatte er große Bedeutung sowohl für die inländische als auch ausländische Widerstandsbewegung.

Nicht zuletzt auch sein persönlicher Einsatz gegen den Nationalsozialismus verlangt eine angemessene Würdigung an seinem ehemaligen Haftort.

Und welche lokalen Bezugspunkte zur Erinnerung an das Wirken hannoverscher Widerstandsgruppen existieren in Hannover?

Wenige Straßen tragen Namen von Einzelpersönlichkeiten des lokalen Widerstandes - was allerdings in der Regel nicht erkennbar ist, da Erklärungen zur Person fehlen.

Ebenso wie jetzt in Hannover an die örtlichen Konzentrationslager erinnert wird, ist es an der Zeit, das Wirken der hannoverschen WiderstandskämpferInnen in gebührender Form zu würdigen.

Mehrere hundert von ihnen waren im Gerichtsgefängnis inhaftiert - gibt es einen geeigneteren Ort für eine späte Ehrung dieser Menschen?