Das ehemalige Gerichtsgefängnis Hannover 1933 - 1945

II. Alltag und Lebensbedingungen im Gefängnis

1. Die Ausstattung der Zellen

Der Neubau des Gerichtsgefängnisses fiel genau in die Zeit, in der Hannover zur Provinzhauptstadt Preußens „erhoben” wurde. Die Verwaltung des Gefängniswesens in Preußen war bereits seit Anfang des 19. Jahrhunderts zwischen dem Justizministerium und dem Ministerium des Innern aufgeteilt

Die in den Jahren 1865 - 1869 errichtete Gefängnisanlage in der Leonhardtstraße wurde zwar in den Folgejahren mehrfach erweitert, doch der Hauptteil des Zellengebäudes war 1933 bereits über 60 Jahre alt. (1)

Dementsprechend einfach und veraltet waren Einrichtung und sanitäre Anlagen der Einzel-, Drei- oder Mehrbettzellen: So gab es kein fließendes Wasser, zum Waschen bekam jeder Häftling morgens einen Krug voll Wasser. Der Abort (der Kübel) befand sich in der Zelle — ohne durch eine Trennwand abgeschirmt zu sein. Jeden Morgen wurden die Kübel vor die Zellentüren gestellt und von den Kalfaktoren eingesammelt.

Die sonstige Einrichtung der Zellen bestand aus Tisch, Hocker und einem kleinen Spind an der Wand, in dem das Essensbesteck und andere Kleinigkeiten aufbewahrt wurden.

Ein dünnes Heizungsrohr sollte für etwas Wärme sorgen, was allerdings in dem dicken Gemäuer nur unzureichend gelang.

„Da ging nur solch ein Rohr durch, weiter war nix. Besonders schlimm wurde es im Winter. Man hatte ja auch nicht richtig was an und nicht richtig was in den Knochen. Ich habe Freiübungen gemacht, damit es ein bißchen wärmer wurde.” (S. H.)

Wie ein „Erholungsurlaub” dagegen wurde der Aufenthalt im Gefängnis Hamm empfunden, wo in der Regel die politischen Häftlinge zur Zeit ihrer vor dem dortigen Oberlandesgericht stattfindenden Prozesse untergebracht waren:

„In Hamm durfte ich mir mein Urteil abholen: 18 Monate Haft. Das Gefängnis dort ist mir in guter Erinnerung geblieben. Das war wohl auch das ausbruchssicherste Gefängnis damals, so ein neuerrichteter Rundbau. Die Zellen gingen zum Innenhof 'raus und waren mit Waschbecken und Toilette mit Spülung ausgestattet. Auch die Verpflegung war besser. Aber dieser 'Erholungsurlaub' sollte nicht lange dauern, denn dann kamen wir auf Transport und über Umwegen wieder nach Hannover.” (W. R.)

Das Liegen war bis zur Nachtruhe verboten. Das schwere Bettgestell mußte jeden Morgen wieder an die Wand geklappt werden. Besonders die Frauen klagten über die damit verbundenen körperlichen Anstrengungen:

„... die Mehrzahl der politischen Frauen ... (saßen) in diesen winzigen Zellen ..., wo man sich jeden Morgen abmühen mußte, die an die Wand geschmiedete ... schwere Bettstelle samt Unterlage wieder an der Wand aufzuhängen.” (2)

Häftlinge, die tagsüber in den Werkstätten oder in anderen Bereichen zur Arbeit eingesetzt waren, hatte man in sogenannten Schlafzellen untergebracht, die etwas kleiner und schmaler gebaut waren:

„Da bist du fast verrückt geworden. Wie ein Tiger gehst du da hin und her, 1,50 m breit und 3 - 4 Meter lang, da kannst du nur hin und her gehen, weiter nichts.” (W. R.)

Bei Verstößen gegen die Gefängnisordnung oder falls ein „Maschores” (Aufseher) einen Häftling „auf dem Kieker hatte”, kamen die betroffenen Häftlinge für einen befristeten Zeitraum in die Arrestzelle. Nur alle drei Tage bekamen die Häftlinge hier ein warmes Essen und eine Decke, die übrige Zeit verbrachten sie bei Wasser und Brot und einer harten Lagerstätte ohne Matratze.

Allein auf Grund der Weigerung, jeden Samstag das Fahrrad eines „Sekretärs” zu putzen, wurde F. G. für drei Tage in die Arrestzelle gesteckt. Die Auseinandersetzung mit dem „Sekretär” hatte unmittelbar vor seiner Überstellung nach Hannover in der Haftanstalt in Hamm stattgefunden.

Drei Tage nach seiner Ankunft im Gerichtsgefängnis in Hannover kam er in eine der Arrestzellen, die sich im Keller des Zellengebäudes befanden.

(1) Auskunft Stadtarchiv Hannover (2) Grete Höll, in: Antifaschistische Reihe 2, hrsg. v. der VVN/BdA Hannover, S. 19