Das ehemalige Gerichtsgefängnis Hannover 1933 - 1945
Vorwort
Ein weißer Fleck bekommt langsam Farbe. Drei Jahre liegt die Idee zurück, den Ort zwischen Raschplatz und den Raschplatzkinos, dort wo die Raschplatzhochstraße verläuft, nach seiner Geschichte zu befragen. Sichtbare Überreste vom Gerichtsgefängnis sind nicht mehr vorhanden. Einige BewohnerInnen der List erinnern sich noch an die Trümmer, in denen nach dem Krieg gespielt wurde. Was spielte sich hinter den riesigen Mauern ab? Was hatten die Gebäude mit dem Faschismus zu tun?
Über den KPD-Vorsitzenden fanden wir den Zugang zum Gerichtsgefängnis. Sechs Jahre, von 1937 bis 1943, war Ernst Thälmann in strenger Einzelhaft im Gerichtsgefängnis Hannover inhaftiert. Zu seinem 100. Geburtstag am 16. April 1986 wollten wir an diesen in Hannover ehemals inhaftierten Antifaschisten erinnern. Während seiner Haftzeit erlangte Thälmann weltweite Bekanntheit, die internationale Solidaritätsbewegung mit den deutschen Antifaschisten setzte sich weltweit für die Freilassung des KPD-Vorsitzenden ein.
Durch unsere Bemühungen, Licht in die sechs Jahre zu bringen, erweiterte sich unser Blickwinkel über Thälmann hinaus. In Gesprächen mit ehemaligen Häftlingen erfuhren wir, daß das Gerichtsgefängnis Haftstätte für Hunderte von Gegnerinnen und Gegnern des Nazi-Regimes sowie von Angehörigen verfolgter Minderheiten war. Viele von ihnen erlebten die Haftanstalt als Durchgangsstation auf dem Weg in das Konzentrationslager.
All diesen Menschen soll ein Denkmal gesetzt werden, um zu erinnern und aufzurufen "Nie wieder Krieg - Nie wieder Faschismus". Von dem hannoverschen Objektkünstler Hans-Jürgen Breuste wurde speziell dafür ein entsprechendes Kunstwerk erarbeitet. Hannoversche Antifaschisten, insbesondere viele politisch Verfolgte, organisierten eine Sammlung, um die Produktionskosten des Mahnmals zu bezahlen. Die Stadt Hannover wurde aufgefordert, für die Aufstellung des Mahnmals auf dem Gelände des ehemaligen Gefängnisses die Genehmigung zu erteilen. Nach der Aufstellung des Mahnmals sollte die Erforschung der Geschichte des Gerichtsgefängnisses und der Schicksale der Inhaftierten erfolgen.
Die Vorbereitungen liefen planmäßig, ein Standort war schnell gefunden. Dann kam das Projekt ins Stocken. Die Erwähnung des KPD-Vorsitzenden, Ernst Thälmann, der Hinweis auf seine 6-jährige Einzelhaft und ein Zitat, in Hannover von ihm geschrieben, "Man muß dem Wesen der Geschichte nahezukommen versuchen, wenn man das Wesen der Politik verstehen will", stieß auf Ablehnung. Die Initiatoren mußten üble Unterstellungen über sich ergehen lassen. Der Anteil der Kommunisten am Widerstand, die Verfolgung und Ermordung vieler von ihnen wurde in Hannover verdrängt. Ohne Thälmann, so Hinweise aus der Stadtverwaltung, wäre die Aufstellung schon längst perfekt.
Doch für diese Art der Geschichtsklitterung war das Kunstwerk Breustes nicht geplant, wurde das Geld von ehemaligen Verfolgten nicht gesammelt und die Arbeit nicht investiert.
Mit dieser Broschüre möchten wir einige Mosaiksteine für die Geschichte des Gerichtsgefängnis liefern. Sensibilisieren für einen weißen Fleck unserer Stadtgeschichte und neue Unterstützer für die Verwirklichung des Projektes "Mahnmal Gerichtsgefängnis" gewinnen.
In diesem Sinne wünsche ich der Leserin und dem Leser dieser Broschüre etwas Zeit und Ruhe, um die Berichte und Aufsätze auf sich wirken zu lassen.
Jörg Lauenroth
Kreisvorsitzender der VVN/Bund der Antifaschisten
Mitinitiator des Projektes "Mahnmal Gerichtsgefängnis"